Die vier Forderungen zum PJ der Studierendenschaft, der Aktionstag und die Petition 2023

Der Aktionstag in Bildern

Unser Aktionstag hat am 19.07. stattgefunden. Dabei sind bundesweit 4.200 Menschen an insgesamt 13 Standorten für bessere Bedingungen im Praktischen Jahr auf die Straße gegangen. An unzähligen weiteren Standorten fanden Infoaktionen statt. Vielen Dank an alle Fachschaften für die wunderbare Organisation des Aktionstages! An diesen Orten fanden Demonstrationen statt: Berlin, München, Hamburg, Heidelberg, Mainz, Halle, Würzburg, Greifswald, Tübingen, Freiburg, Essen, Gießen und Rostock. Informationsstände gab es in: Bochum, Bonn, Brandenburg, Berlin, Dresden, Erlangen-Nürnberg, Essen, Freiburg, Greifswald, Hamburg, Magdeburg, Münster, Regensburg, Rostock, Ulm, Witten. 

…und was passierte danach?

Danach fand die Übergabe der Petition in Berlin am 20.09.2023 statt. Entgegengenommen wurde die Petition von drei Vertreter*innen aus dem Bundesministerium für Gesundheit: Der Parlamentarischen Staatssekretärin Sabine Dittmar, dem Unterabteilungsleiter Markus Algermissen und Marthilde Krampitz, Referentin im Referat 314. Wir haben über die drängensten Forderungen der Studierenden gesprochen. Erfreulicherweise, zeigten sich die Vertreter*innen des BMG einigen unserer Forderungen positiv gestimmt. Jedoch halten sie weiterhin daran fest, dass es keine zusätzlichen Krankheitstage braucht und die bestehende Härtefallregelung zur Abdeckung von Krankheitsfällen ausreichend ist. Hier werden wir in Zukunft weiterarbeiten, um mit harten Fakten zeigen zu können, dass Studierenden krank im PJ erscheinen, weil ihnen keine Krankheitstage zur Verfügung stehen. 

Die vier Forderungen der Studierendenschaft

  1. Das Recht, sich krankzumelden durch die Trennung von Krankheits- und Fehltagen in der Approbationsordnung, der Verordnung, die die Rahmenbedingungen des Medizinstudiums bestimmt.
  2. Eine qualitativ hochwertige Ausbildung! Mentoring, Betreuung und Lehrveranstaltungen, wie in den Entwürfen der Approbationsordnung vorgesehen, müssen zeitnah umgesetzt werden.
  3. Viele PJ-Studierende können von der Vollzeittätigkeit im Krankenhaus nicht leben. Es ist unerlässlich, dass den Studierenden eine für Grundbedürfnisse ausreichende Aufwandsentschädigung gewährt wird. Daher fordern wir eine bundesweite Aufwandsentschädigung mindestens in Höhe des BAföG-Höchstsatzes.
  4. Einen Mindestabstand von vier Wochen zwischen dem Ende des Praktischen Jahres und dem dritten Staatsexamen, der Abschlussprüfung des Medizinstudiums, denn auf das Staatsexamen vorbereiten geht nicht zwischen Tür und Angel!

Was steckt hinter den vier Forderungen?

Angehende Ärzt*innen benötigen adäquate Ausbildungsbedingungen, eine ausreichende Aufwandsentschädigung und eine Lehre, die qualifiziert. Nur so kann unter den steigenden Herausforderungen, wie dem bestehenden relativen Ärzt*innenmangel, ein leistungsfähiges Gesundheitssystem sichergestellt und der Überlastung und Ausbeutung von Studierenden noch vor Berufsbeginn vorgebeugt werden.

Die Trennung von Krankheits- und Fehltagen: Studierenden stehen im praktischen Jahr zurzeit 30 Fehltage zu, welche unter anderem Urlaubstage, Krankheitstage, Kind-Krank-Tage und Lerntage umfassen [3].

Dies hat schwerwiegende Folgen: Aktuell haben Medizinstudierende nicht die Möglichkeit, sich krankzumelden, ohne dafür Fehltage zu verwenden. Konkret führen die aktuellen Regelungen dazu, dass Studierende krank im PJ erscheinen und dadurch ihre eigene Gesundheit, die ihrer Patient*innen und die ihrer Kolleg*innen potenziell gefährden. Daher fordern wir eine Anrechnung von zusätzlichen Fehlzeiten im Umfang von mindestens 10% der gesamten Ausbildungszeit, wenn eine eigene Krankheit, Krankheit des eigenen Kindes oder von Angehörigen vorgelegen hat [4].

Während der COVID-19 Pandemie wurde eine vergleichbare Ausnahmeregelung gefunden, die nicht nur bei COVID-19, sondern in Zukunft auch bei anderen übertragbaren Infektionserkrankungen Anwendung finden muss.

Standards in der Lehre im Praktischen Jahr schaffen und umsetzen:

Das PJ hat als Ziel, nach 10 Semestern vorwiegend theoretischem Studium die zukünftigen Ärzt*innen auf den praktischen Berufsalltag und die erforderlichen ärztlichen Kompetenzen vorzubereiten. Lehre ist daher der essenzielle Aspekt eines fairen PJs und eine der wichtigsten Stellschrauben eines zukunftsfähigen Gesundheitssystems.

Dafür ist insbesondere die flächendeckende Etablierung eines Mentoring-Systems, der Ausbildung der Studierenden durch Fachärzt*innen, sowie die kontinuierliche Betreuung eigener Patient*innen unter Supervision wichtig. Weiterhin stellt eine strukturierte Einführung der Studierenden in Stationsabläufe ein ebenso wichtiges Qualitätskriterium dar, wie regelmäßige Feedbackgespräche und Besprechungen der Ausbildungsziele anhand des – von den Universitäten erstellten – Logbuchs. Des Weiteren müssen zusätzliche Nacht- und Wochenenddienste freiwillig sein und die Verwendung Studierender zur Füllung von ärztlichen Personallücken verboten sein.

Bundesweite Mindestaufwandsentschädigung in Höhe des BAföG-Höchstsatzes:  

Viele PJ-Studierende können von der Vollzeittätigkeit im Krankenhaus nicht einmal ihre Miete bezahlen. Es ist unerlässlich, dass den Studierenden eine für Grundbedürfnisse ausreichende Aufwandsentschädigung gewährt wird. Eine gute Vorbereitung auf den Berufsalltag darf kein Privileg sein oder einen Nebenjob neben einer 40-Stunden-Woche im Krankenhaus erfordern. Knapp 30% der Beteiligten an einer Umfrage des Marburger Bundes aus 2023 gaben an, für die Finanzierung Ihres Lebensunterhaltes auf einen Nebenjob angewiesen zu sein. Außerdem waren 77% nach eigenen Angaben auf familiäre Unterstützung angewiesen, um sich das praktische Jahr leisten zu können [5].

Mindestabstand zwischen Ende des Praktischen Jahres und dem dritten Staatsexamen: 

Wir fordern einen Mindestabstand zwischen dem Ende des Praktischen Jahres und dem dritten Staatsexamen in Höhe von vier Wochen, um allen Studierenden eine ausreichende Vorbereitungszeit auf die Abschlussprüfung des Medizinstudiums zu gewährleisten. Der aktuelle Abstand von mitunter einer Woche ist unzureichend zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfung des Medizinstudiums.

Weitere Hintergründe zur Aufwandsentschädigung und warum wir den BAföG-Höchstsatz fordern, eine Zusammenfassung der wichtigsten Lehrstandards im PJ sowie unsere gesamte Stellungnahme zum aktuellsten Entwurf der Approbationsordnung und damit auch dem Praktischen Jahr gibt’s hier:

Die bvmd hat bereits 2019 eine Petition für bessere Bedingungen im Praktischen Jahr veröffentlicht und einen bundesweiten Aktionstag veranstaltet. Damals ging es um die:

  1. Einführung einer Mindestaufwandsentschädigung in Höhe des BAföG-Höchstsatzes
  2. Gewährung von Krankheitstagen in gesplitteten Tertialen
  3. Einführung von mindestens vier Stunden Lehrveranstaltungen und mindestens acht Stunden Selbststudium pro Woche
  4. Sicherstellung eines persönlichen Zugangs zum Patientenverwaltungssystem
  5. Bereitstellung eigener Arbeitskleidung und einer eigenen Aufbewahrungsmöglichkeit für Kleidung und persönliche Gegenstände

Nach Abschluss der Petition wurde diese dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) übergeben, das für die Regelung des Medizinstudiums durch die sogenannte Approbationsordnung zuständig ist. Die Approbationsordnung ist eine Rechtsverordnung, die die Rahmenbedingungen des Medizinstudiums regelt. Das BMG ist somit auch für die Rahmenbedingungen im Praktischen Jahr unmittelbar verantwortlich. Unter anderem auf Basis des entstandenen Dialogs und dank der breiten Unterstützung mit über 100 000 Unterschriften konnten, abgesehen von der ersten Forderung, alle Forderungen in die Entwürfe zur Reform der Approbationsordnung aufgenommen werden [Aktuellster öffentlich zugänglicher Entwurf zu Reform der Approbationsordnung]. Auch mithilfe einer weiteren Petition der bvmd im Jahr 2020, in der es um faire Bedingungen in Staatsexamina und dem Praktischen Jahr ging, konnte für das Praktische Jahr unter anderem eine Ausnahmeregelung für COVID-19 bedingte Fehlzeiten erreicht werden.

Mit eurer Unterstützung wollen wir nun, aufbauend auf den Teilerfolg der Petition aus 2019 und der aktuellen Petition aus 2023, die drängendsten der verbliebenen Probleme im Praktischen Jahr lösen. Nach der Übergabe an das BMG steht nun der nächste Schritt an: Ein bundesweites PJ-Ranking mit ethimedis, welches einen direkten Zugriff auf die Strukturdaten zum PJ in ganz Deutschland erlaubt, sodass regelmäßige Analysen und Bedarfsgerechte Analysen veröffentlicht werden können. Diese Schritte sind wichtig um dann mit Politiker*innen in den Austausch zu treten und für die Probleme im Praktischen Jahr sensibilisieren und längst überfällige Grundrechte im Praktischen Jahr einzuführen. Vielen Dank für eure Unterstützung dabei, das Praktische Jahr ein großes Stück besser zu machen!

Geh auch du in den Dialog mit Freunden, Familie und lokalen Politiker*innen und leiste so einen entscheidenden Beitrag im Kampf für ein faires Praktisches Jahr.

Hintergründe und weiterführende Dokumente zu unseren Forderungen:

Übergabe der Petition für ein faires Praktisches Jahr im Juli 2019:

Foto von der Übergabe der Petition am 19.07.2019. Von links nach rechts: Joachim Pankert, Theresa Wilhelm, Peter Jan Chabiera, Ralf Suhr, Referat 314 (Ausbildung und Berufszugang zu den Heilberufen I), Markus Algermissen, Leiter der Unterabteilung 31 (Medizin- und Berufsrecht), Susanne Wald, Leiterin der Abteilung 3 (Gesundheitsschutz, Medizin und Berufsrecht), Carolin Siech, Louise Hegge, Martin Jonathan Gavrysh.

Warum jetzt? 

Das Medizinstudium wird durch die Ärztliche Approbationsordnung geregelt. Diese wird aktuell reformiert. Die oben genannten Kernprobleme im Praktischen Jahr werden jedoch aktuell in der Reform noch nicht berücksichtigt. Da der Reformprozess bald abgeschlossen werden soll, ist jetzt unsere letzte Chance unseren Forderungen Gehör zu verschaffen. Sieh dir dazu folgendes Erklärvideo der Fachschaft Berlin an, warum es jetzt wichtig ist auf die Straße zu gehen und unser Video, in dem wir auf die Probleme im Praktischen Jahr eingehen: